Das alte neue Gesicht des Chemnitzer Viadukts
Der Beschluss des Eisenbahnbundesamtes, das Viadukt zu erhalten, wurde vor gut einem Jahr von den beteiligten Akteuren, allen voran der Viadukt e.V. gebührend gefeiert. Nun luden der Verein und das Denkmalschutzamt der Stadt Chemnitz zu einer gemeinsamen Informationsveranstaltung mit der Deutschen Bahn und dem Planungsbüro Krebs + Kiefer ein. Das über 110 Jahre alte Viadukt ist eines der wenigen Industriedenkmäler unserer Stadt, welches noch erhalten werden kann, auch wenn es einen langen Kampf bedeutet hat. Denn ursprünglich waren der Abriss der Brücke und ein Ersatzneubau einer schlichten Stahlbetonbrücke vorgesehen. Ein von der Bahn einberufener Fachbeirat beschäftigt sich seit einem Jahr mit der Ertüchtigung der Brücke. Zum einen soll sie als denkmalgeschütztes und stadtbildprägendes Bauwerk sowie als Zeugnis damaliger Technik und Industriegeschichte erhalten bleiben, zum anderen aber auch den aktuelle technischen Erfordernissen entsprechen. Der Fachbeirat hat sich inzwischen für eine von 3 möglichen Varianten ausgesprochen. Diese sieht vor, das äußere Erscheinungsbild des Viadukts im Wesentlichen zu erhalten. Um dem heutigen Stand der Technik zu entsprechen, muss die Konstruktion im Kern massiv verstärkt werden. So können Züge mit einer Geschwindigkeit von bis zu 120 km/h die Brücke zukünftig befahren. Außerdem sollen die Gleise zukünftig nicht mehr auf einem Schotterbett, sondern auf einer Stahlbetonplatte verlaufen. So entsteht deutlich weniger Lärm und es wären keine Lärmschutzwände erforderlich, die das Erscheinungsbild des Viadukts negativ beeinflussen würden. Was allerdings sich für das Auge des Betrachters allerdings ändern dürfte, ist die Farbgebung. Untersuchungen haben ein helles Blaugrau auf Bleimennige als ersten Farbauftrag von 1908 zu ergeben. Alle Brücken der Königlich Sächsischen Staatseisenbahnen seien damals in dieser Farbe gestrichen worden, so Thomas Morgenstern, Leiter des Denkmalschutzamtes. Diese Farbe sei gewählt worden, um eine gewisse Leichtigkeit zu repräsentieren. Stahlbauten wirkten in der damaligen Zeit sehr monströs auf die Menschen. Durch die Farbgebung sollten sie in gewisser Weise mit dem Himmel verschmelzen.
Im kommenden Jahr soll ein Planänderungsverfahren beginnen und 2022 die Ertüchtigungsarbeiten bei laufendem Betrieb starten, so dass 2025 die Strecke in Betrieb genommen werden kann.
Ein ähnliches Ergebnis wäre auch für die Brücke am Südbahnhof wünschenswert. Leider ist derzeit ein Ersatzneubau durch eine Stahlbetonkonstruktion mit Lärmschutzwand und die Verfüllung der unteren Räume des Südbahnhofs mit Beton vorgesehen. Am Gebäude selbst sollen an Seite der Südbahnstraße der historische Eingangsbereich und die Fenster lediglich aufgemalt werden. Für ein stadtbildprägendes Bauwerk wäre dies ein ausgesprochenes Armutszeugnis.
(Bildnachweis: 15-Postkarte-des-Eisenbahn-Viadukts-Annaberger-Straße-um-1909-I-41590, Quelle: Stadtarchiv Chemnitz)